"Sicherheit und Entwicklung gehören zusammen." Le ministre de la Défense au sujet de la situation en Afghanistan

Luxemburger Wort: Herr Minister, Sie sind zum zweiten Mal binnen eines Jahres nach Afghanistan gekommen. Welchen Eindruck haben Sie von den Umständen und der Qualität der Arbeit des Luxemburger Militärkontingents in Kabul gewonnen?

Jean-Louis Schiltz: Es ist wichtig, sich in regelmäßigen Abständen ein detailliertes Bild von der Arbeit und den Umständen dieser Arbeit zu machen. Die Luxemburger Soldaten sind auf ihre Art die Botschafter unseres Landes in einem extrem schwierigen Umfeld. Sinn meines Besuches ist es auch, diese Arbeit zu würdigen. Die Luxemburger Soldaten leisten eine exzellente Arbeit.

Luxemburger Wort: Wie schätzen Sie die Sicherheitslage ein?

Jean-Louis Schiltz: Die Bedrohung in Afghanistan ist real. Es ist eine asymmetrische Bedrohung, die überall lauern kann. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass die große für 2007/2008 angekündigte Offensive der Taliban noch immer ausgeblieben ist. Auch das, was in Pakistan geschieht, verbessert die Lage nicht. Man muss zwar der neuen pakistanischen Regierung Zeit lassen, aber auch betonen, dass Pakistan Teil der Lösung in diesem Konflikt sein muss und nicht Teil des Problems bleiben darf.

Luxemburger Wort: Von einer kurzfristigen bis mittelfristigen Beendigung der internationalen Militärpräsenz in Afghanistan kann also wohl noch nicht die Rede sein.

Jean-Louis Schiltz: Sicher wird die Nato nicht ewig bleiben können. Unsere Präsenz hier ist aber eine langfristige. Vieles wird von der Entwicklung der afghanischen Armee und Polizei abhängen. Mittlerweile sind schon 50.000 afghanische Soldaten einsetzbar, der Armeebestand ist auf 75.000 gestiegen. Das alles geht in die richtige Richtung. Zudem darf man nicht aus den Augen verlieren, dass auch auf ziviler Ebene schon große Fortschritte erzielt wurden. 2001 wurde 28 Millionen Menschen von dem schlimmen Taliban-Regime befreit, 4,5 Millionen Flüchtlinge sind in das Land zurückgekehrt, 9.000 Schulen gebaut worden, in die nun sieben Millionen Kinder gehen, wo es zuvor nur ein paar Zigtausend waren, 2.000 Kilometer Straßen gebaut worden. Das alles belegt die Richtigkeit der Aussage Kofi Annans, dass es ohne Sicherheit keine Entwicklung und ohne Entwicklung keine Sicherheit geben kann.

Luxemburger Wort: Die Lösung kann also nicht nur eine militärische sein?

Jean-Louis Schiltz: Nein, keinesfalls. Deshalb auch die Wichtigkeit der Afghanistan-Konferenz in Paris, die ich als zivilen Zwilling der rezenten Nato-Entscheidung in Bukarest zu einer long-term-Strategie in Afghanistan bezeichnen möchte. Ich stelle fest, dass auf militärischer Ebene Afghanistan höchste Priorität genießt, leider nicht auf der Ebene der Kooperations- und Entwicklungspolitik, insbesondere der Europäischen Union; zuletzt war dies unter deutscher Präsidentschaft der Fall. Ich habe den UN-Repräsentanten in Kabul, Kai Eide, gebeten, bei der Pariser Konferenz in diesem Sinne die Politik und die künftige französische EU-Präsidentschaft zu sensibilisieren.

Luxemburger Wort: Sie stellen aber sicher doch auch Erwartungen an die afghanische Regierung.

Jean-Louis Schiltz: Natürlich! Um die Zivilgesellschaft in Afghanistan voranzubringen, muss seitens der lokalen Autoritäten noch viel geschehen; vor allem durch einen konsequenten Einsatz gegen die Korruption. Die afghanische Regierung wäre sicher in der Lage, da noch mehr zu tun. Zudem müssen die Institutionen gestärkt, die Drogenproblematik, die in letzter Konsequenz wieder zur Finanzierung der terroristischen Aktivistäten in und außerhalb Afghanistans beitragen, eingedämmt werden. Auch im Bereich der Landwirtschaft müssen die Lebensbedingungen der Menschen verbessert und Alternativen zum Drogenanbau geschaffen werden.

Lxemburger Wort: Zurück zum Luxemburger Militärengagement in Afghanistan. Sind nach der kürzlich vorgenommenen Militärreform noch intensivere Anstrengungen möglich?

Jean-Louis Schiltz: Wir haben uns bereits auf ein langfristiges Engagement für Afghanistan bis 1. Februar 2011 festgelegt, das sowohl die Bereiche Sicherheit als auch Entwicklung abdeckt. Unsere militärische Präsenz vor Ort ist ein Zeichen unserer Solidarität sowohl mit dem schwer geprüften Land Afghanistan als auch mit unseren Alliierten. Unser Beitrag mag bescheiden sein, er entspricht aber unserer Größe und unseren Möglichkeiten. Die Frage, ob wir noch mehr tun könnten, stellt sich nicht, weil wir an der Grenze dessen angekommen sind, was wir in puncto Entsendung von sogenannten "corps constitués" tun können, d.h. derzeit mehr oder weniger 40 Armeemitglieder an diversen Brennpunkten der Welt. Die Armeereform erlaubt uns, langfristig diese Präsenz zu sichern, aber nicht noch weiter zu intensivieren.

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