"Vernetzter Ansatz für Afghanistan nötig". Jean-Louis Schiltz au sujet de la réforme de l'armée et du sommet de l'OTAN à Bucarest

Luxemburger Wort: Wie steht es mit der Reform der Armee und ihren verschiedenen Baustellen - Stichwort Einsatzstatus für Auslandseinsätze sowie Spezialisierung?

Jean-Louis Schiltz: Die Armeereform ist im Dezember ohne Gegenstimme - bei Enthaltung der Grünen - im Parlament verabschiedet worden. Das Beschaffungsgesetz ist ebenfalls gestimmt worden. Inzwischen ist ein Teil der im Gesetz enthaltenen Reformen umgesetzt worden. Was das Beschaffungsgesetz angeht, so ist die wichtigste Entwicklung, dass im Februar 48 Aufklärungsfahrzeuge vom Typ "Dingo 2" beim deutschen Konstrukteur Krauss-Maffay bestellt worden sind. Was die Armee selbst anbelangt, so muss sich in Zukunft nach der dreimonatigen Grundausbildung jeder Soldat entscheiden, ob er in eine "Einheit zur operativen Verfügung" ("unite de disponibilite operationelle") eintritt oder nicht. Der erste Jahrgang auf dieser neuen Grundlage wird im kommenden Mai eingezogen und im September vereidigt. Die diesbezüglichen Reglernente sind in Ausarbeitung. Zusätzlich haben wir uns mit den beiden Offiziers- bzw. Unteroffiziersgewerkschaften Apol und Apsol über Ausbildungs- und Einsatzprämien geeinigt. Zudem ist am 21. Januar Gaston Reinig als neuer Generalstabschef der Armee formell vereidigt worden. Inzwischen hat die Umsetzung der Armeereform also Reisegeschwindigkeit erreicht.

Luxemburger Wort: Mit welchen Ländern wird Luxemburg in Zukunft militärisch zusammenarbeiten?

Jean-Louis Schiltz: Belgien ist unser natürlicher Partner, aufgrund von Tradition und guten Erfahrungen, was jedoch nicht verhindert, dass wir uns diversifizieren, wie im Jahr 2006, als wir mit Frankreich eine Kooperation im Kosovo eingegangen sind. Die Zusammenarbeit mit Belgien beschränkt sich nicht auf Militäreinsätze wie etwa in Afghanistan, im Libanon oder im Kongo. Wir kooperieren auch bei der Materialanschaffung, in Übungen sowie in der Offiziers- und Unteroffiziersausbildung - aber auch hier nicht exklusiv mit Belgien, sondern ebenso mit Frankreich.

Luxemburger Wort: Wird es im Jahr 2020 noch eine luxemburgische Armee geben oder wird sie Teil einer integrierten europäischen Armee sein?

Jean-Louis Schiltz: Europa wächst bei der Verteidigung zusammen. Europa hat bewiesen, dass es in Verteidigungsfragen fähig ist, etwas auf die Beine zu stellen - zum Beispiel die Friedensmission bei den Wahlen 2007 im Kongo. Auch unterstützen wir ausdrücklich die Pläne des kommenden EU-Vorsitzes von Frankreich, das Europa der Verteidigung voranzubringen. Alles, was im multinationalen Eurokorps unter Beteiligung Frankreichs, Deutschlands, Spaniens, Belgiens und Luxemburg geschieht, ist ein gelebtes Europa der Verteidigung. All dies verdient, ausgebaut zu werden. Hier kann die EU ein Plus bringen - nicht zu Lasten der Nato, sondern komplementär zu ihr. Ich glaube allerdings nicht, dass wir an diesem Zeithorizont in Europa die Abschaffung der nationalen Streitkräfte erleben. 2020 wird Europa jedoch bei der Verteidigung noch viel enger zusammenarbeiten als heute und dies verstärkt im multinationalen statt im bilateralen Rahmen, wie es heute meist noch der Fall ist.

Luxemburger Wort: Was erwarten Sie sich vom Nato-Gipfel in Bukarest?

Jean-Louis Schiltz: Die beiden Hauptthemen sind Afghanistan und die Erweiterung. Albanien, Kroatien und Mazedonien sollten eingeladen werden, der Nato beizutreten. Wir sind zurückhaltender mit Blick auf die Aufnahme Georgiens und der Ukraine. Erstens stellt sich die Frage: Sind alle Beitrittskriterien erfüllt? Zweitens: Vergrößert die Aufnahme beider Länder die Stabilität der Allianz? Da wir beide Fragen nicht mit Ja beantworten können, sind wir hinsichtlich ihres Beitritts reserviert. Unsere Ansicht wird auch von Deutschland und Belgien geteilt.

Was Afghanistan anbelangt, so kommt auf diesem Gipfel erstmals auf höchstem Niveau zum Ausdruck, dass wir einen vernetzten Ansatz verfolgen müssen, in dem zivile und militärische Aspekte ineinander greifen und zusammen mit politischen und diplomatischen Anstrengungen ein Ganzes darstellen. Eine gute Regierungsführung bildet einen dafür notwendigen Rahmen. Es ist ein Signal des starken politischen Willens, dass die 26 Staats- und Regierungschefs zusammen mit den höchsten Vertretern der EU, der UN und der Weltbank auf diesem Nato-Gipfel an einem Tisch sitzen, um so der zivil-militärischen Globalstrategie für Afghanistan die nötigen politischen Impulse zu geben.

Die Befriedung Afghanistans ist ein langfristiges Engagement, das die 26 Nato-Staaten gemeinsam mit annähernd 15 Nicht-Nato-Ländern eingegangen sind. Vor allem gibt es durchaus Erfolge zu verzeichnen: 28 Millionen Menschen sind von der Taliban-Herrschaft befreit worden, die sich durch Unterdrückung charakterisiert hat. Es sind 9.000 Schulen gebaut worden, Mädchen dürfen heute wieder die Schule besuchen, es sind 4,5 Millionen Afghanen in ihre Heimat zurückgekehrt und 2.000 km Straßen gebaut worden - all das muss der Öffentlichkeit in Erinnerung gerufen werden. Nicht der Nato, sondern der UN fällt bei der Koordinierung dieses vernetzten Ansatzes die zentrale Rolle zu. Deshalb ist es gut, dass die UN in der Person von Kai Eide einen neuen UN-Sonderbeauftragten für Afghanistan ernannt haben.

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